Lehrerausbildung in Zeiten des Lehrkräftemangels – Zeit für Reformen!? Bericht der BundesJuPhi-Tagung und Stellungnahme
Der Blick über den Tellerrand ist wichtig – besonders in der Bildungs- und Schulpolitik. So nahmen Dennis Hütter und Victoria Hildebrand vom Ausschuss für berufspraktische Fragen (BPA) vom 9. bis 11. März 2023 am Bundestreffen der Jungphilologen in Saarbrücken teil.
Im Mittelpunkt der Frühjahrstagung standen die erste und zweite Phase der Lehrkräftebildung, welche sich in allen Bundesländern höchst unterschiedlich gestalten. In einigen Ländern wurden bereits Veränderungen am Lehrkräfteausbildungsgesetz vorgenommen, anderen stehen noch weitreichende Änderungen bevor. Besonders in den Blick genommen haben die Jungphilologen die Reformbestrebungen in Thüringen (Sekundarstufenlehrer als Vorschlag der Rot-Rot-Grünen Regierung), Brandenburg (Lehrkraft werden ohne Hochschulabschluss und ohne Lehramtsbefähigung), Bayern (Abschaffung des Staatsexamens im Modell „Flexible Lehrerbildung“ des BLLV), NRW (Mehrarbeit im Referendariat, umfassende inhaltliche Kürzungen) und Niedersachsen.
Das Gastgeberland Saarland berichtete von den Neuerungen der dortigen Schulpolitik im gymnasialen Bereich und lud zur Diskussion Vertreter des saarländischen Bildungsministeriums, Herrn Schaller (Referatsleiter Gymnasium) und Frau Burkart (Referat Lehrkräfteausbildung), ein. Als erstes westdeutsches Flächenland führte es das G8 ein, nun kehrt es zu „einem neuen, modernisierten G9“ zurück. In der neuen umstrittenen Stundentafel sollen die Kernfächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen durch eine erhöhte Stundenzahl gestärkt werden, das Fach Informatik wird verpflichtend eingeführt, die Lehrpläne und der Leistungsbewertungserlass sind in Überarbeitung, Schulen sollen mehr Gestaltungsfreiräume erhalten und Eigenverantwortung übernehmen. Auch in der Lehrkräfteausbildung liegen Ideen und Konzepte für die Steigerung der Studierendenzahlen und der Attraktivität des Berufsbildes vor, wie beispielsweise die Einführung eines Teachers’ Day (analog zu Girls Day, 20. und 21.09.2023), Praxistage für Schülerinnen und Schüler an der Universität und eine stärkere Praxisbezogenheit im Studium für ein früheres Erleben der Lehrerrolle. Nicht ausschließen konnten die Vertreter des Ministeriums für Bildung und Kultur in Zukunft eine mögliche Erhöhung der Pflichtstundenzahl vor dem Hintergrund der Verschärfung des Lehrkräftemangels. Um Lösungsansätze bzgl. Klassengrößen, Deputatsstunden und Gehaltssteigerungen werde nach wie vor gerungen – allerdings wenig aussichtsreich hinsichtlich der finanziellen Lage des Landes.
Neben dem bildungspolitischen Austausch darf an einer solchen Tagung das Kulturprogramm als Ausgleich nicht zu kurz kommen: Der Verein “Geographie ohne Grenzen e.V.” führte die Jungphilologen durch das lebhafte alternative Nauwieser Viertel und abends tauchte man in die saarländische Küche und Braukultur ein.
Auch die Mitgliedergewinnung treibt die Jungphilologen um. Im Format des Speed Datings stellten sich die Delegierten gegenseitig ihre Merchandise- und Werbeartikel vor und ließen sich inspirieren. Um viele Eindrücke, Kontakte und Ideen reicher kehrten die beiden BPA-Mitglieder zurück, um Best Practice Beispiele anderer Bundesländer in die Arbeit des BPA einfließen zu lassen.
Victoria Hildebrand
Stellungnahme der Jungen Philologen im Bund (März 2023):
Auch wir finden, es müssen Reformen her. Reformen, die den Lehrerberuf wieder attraktiver für junge Menschen machen und den derzeit in Schule Beschäftigten Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringen. Diese sollte sich in finanzieller Art, zeitlicher Entlastung und positiver medialer Berichterstattung ausdrücken.
Wird der Beruf nun durch Einschränkung der Teilzeit, Verkürzung der Lernzeit im Referendariat, Gleichschaltung der Lehrämter und Mehrbelastung (auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung) zunehmend unattraktiver, droht uns die Abwärtsspirale – der Lehrkräftemangel wird unaufhaltsam. Laufbahnrechtliche Auswirkungen würden übergangen und ignoriert. Schulformspezifika würden ausgehöhlt. Die Anerkennung der noch stärker divergierenden Lehramtsqualifikationen zwischen den Bundesländern würde erschwert.
Wir brauchen eine Verbesserung und keine Verschlechterung der Lehrkräfteausbildung. Weitere Reformen dürfen nicht zu Lasten der fachlichen Tiefe im Lehramtsstudium gehen, die Qualität des Abiturs nicht schmälern und zu einer Abnahme der Studierfähigkeit führen. Denn was gibt es Wichtigeres als Bildung?
Wir fordern …
- die Rückkehr zum 24-monatigen Vorbereitungsdienst für eine angemessene Lernzeit und Vorbereitung auf die Praxis,
- die Beibehaltung der Staatsexamina als Abschluss der beiden Phasen der Lehrkräfteausbildung für die Erhaltung der Qualität des Lernens und der Lehre im Lehramtsstudium,
- die Koexistenz mündlicher und schriftlicher Prüfungen in der Ersten Staatsprüfung als unverzichtbare Formate zur Eignungsprüfung,
- ein sinnvolles Maß an Praxisorientierung im Lehramtsstudium zusätzlich zur fachwissenschaftlichen Ausbildung,
- dass der Schwerpunkt der Universitäten auf der Fachwissenschaft, und der des Vorbereitungsdienstes auf der Didaktik liegt.
← zurück