Jedem Schüler seine Schule!
Unter diesem Motto konstituierte sich am 26. November des vergangenen Jahres der Ausschuss für Gesamtschulfragen im Sporthotel Grünberg. Mein erster Dank galt Markus Stellfeldt, der mich in einer Zeit des Übergangs hervorragend beraten hat und ich hoffe auch für die Zukunft auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit als mein Stellvertreter zum Wohle aller Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer an Gesamtschulen.
Am Tage meiner Geburt begann die Tagesschau mit einem sechsminütigen Bericht zum Thema „Gesamtschule umstritten“ inklusive abschließendem Kommentar von Ernst-Dieter Lueg. Ein Omen? Seinerzeit traten SPD und FDP für die „Gesamtschule als Angebotsschule“ ein, die neben dem gegliederten Schulsystem eingerichtet werden sollte, sofern die Eltern dies wünschten. CDU und CSU hingegen beharrten auf einer „Gesamtschule als Versuchsschule“, da sie noch nicht genügend erprobt sei. In der Bundestagsdebatte zur Vergleichbarkeit der jeweiligen Abschlüsse warnte der Berliner Schulsenator Rasch (FDP) vor einer „Gesamtschule als Dünnbrettschule“, während der bayerische Kultusminister Maier (CSU) deutlich machte, dass die unionsregierten Länder die „Gesamtschule als Regelschule“ nicht anerkennen würden, der Hamburger Schulsenator Grolle (SPD) aber sogar die „Gesamtschule als bessere Schule“ bezeichnete.
Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet erscheint diese Debatte in eindrucksvoller Weise als von der Geschichte eingeholt. Zwar mag hier und da immer noch das Vorurteil von einer „Gesamtschule als Dünnbrettschule“ verbreitet sein, aber von einer „Gesamtschule als Versuchsschule“ kann definitiv keine Rede mehr sein. Die Gesamtschulen haben sich als eigenständiger Zweig im gegliederten Schulwesen Deutschlands fest etabliert und leisten in ihrer Gesamtheit keine bessere oder schlechtere Arbeit als herkömmliche Gymnasien. Mehr noch: Gerade im ländlichen Raum sind sie häufig die einzige Möglichkeit, eine begabungsgerechte Ausbildung für Schülerinnen und Schülern in allen Schulzweigen zu ermöglichen. Sie bieten darüber hinaus den unschätzbaren pädagogischen Vorteil, dass ein Schulzweigwechsel von Schülerinnen und Schülern, die ansonsten eine Schule ganz verlassen müssten, weniger als gesamtschulisches Versagen empfunden wird.
Der Hessische Philologenverband versteht sich bekanntlich als Interessenvertretung von Lehrerinnen und Lehrern, die auf das Abitur vorbereiten. Diese befinden sich aber nicht nur an herkömmlichen Gymnasien, sondern eben auch an den zahlreichen, ebenso erfolgreich arbeitenden Gesamtschulen im ganzen Land. Diesen Kolleginnen und Kollegen möchte ich in der Zukunft im Hessischen Philologenverband in angemessenem Umfang Stimme und Gewicht verleihen. Vor uns steht die Personalratswahl, mit der wir uns auf unserer nächsten Sitzung am 12. Februar an bewährter Stätte beschäftigen werden.
Borries Alexander Thiele, Vorsitzender des Gesamtschul-Ausschusses