Fortbildung im Spannungsfeld der Interessen

vom | Kategorie: Tipps und Hinweise

HPhV Fortbildung 2019In allen Berufssparten wird heute kaum noch hinterfragt, dass ein lebenslanges Lernen eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, einen Beruf dauerhaft und erfolgreich ausüben zu können. In vielen Branchen geht man sogar davon aus, dass im Laufe des Berufslebens die einmal erlernten Berufe u.U. mehrfach gewechselt werden müssen, da Berufsbilder wegfallen und durch neue Berufsbilder ersetzt werden.

Schule und damit der Beruf der Lehrkräfte scheinen von dieser Entwicklung seltsam unberührt zu bleiben. Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass viele Bereiche schulischer Lehrinhalte Grundlagenwissen widerspiegeln, inhaltlich hier also relativ wenig Veränderungen zu verzeichnen sind, die eine fachliche Fortbildung notwendig machen würden. Genau diese fachlichen Fortbildungen waren aber über viele Jahre wesentlicher Bestandteil der Fortbildung der Lehrkräfte, bis das Interesse an derartigen Veranstaltungen mehr und mehr erlahmte. In der Folge beschäftigten sich Lehrkräfte immer wieder mit Schulstrukturdebatten, der ständigen Revision der Curricula, Schulprogrammen, Methodendiskussionen und Leuchtturmprojekten als Alleinstellungsmerkmal der eigenen Schulen. Ob diese Diskussionen tatsächlich zur Professionalisierung der Lehrkräfte beigetragen haben, sei dahingestellt. Es sei aber die Frage erlaubt, ob nicht der Blick auf den Kern des Lehrberufs verstellt wurde. Dieser Kern besteht einerseits in der Sicherheit der fachlichen Kompetenzen der Lehrkräfte. Diese sollten durch die erste Phase der Lehrerbildung im Studium gefestigt worden sein. In der zweiten Phase sollten alle Lehrkräfte eine „Grundausstattung“ im Bereich von Didaktik und Methodik erworben haben, auf der sie ihre Kompetenzen weiter ausbauen können. Andererseits besteht aber ein wesentlicher Teil der Kompetenzen der Lehrkräfte in der Fähigkeit, auf vielen Ebenen und auf unterschiedlichen Niveaus persönlich interagieren zu können. Lehrkräfte stehen in ständigem persönlichen Austausch mit Schülerinnen und Schülern, deren Eltern, Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten. Dabei ist das eigene familiäre Umfeld noch nicht berücksichtigt.

Viele junge Lehrkräfte erleben den Berufseinstieg als Praxisschock. Sie müssen feststellen, dass es „den“ Lehrerberuf gar nicht gibt. „Der Lehreralltag besteht aus täglichen Veränderungen, Unvorhersehbarkeiten, ständigen Situationswechseln und erfordert eine hohe Anpassungsleistung der Lehrkraft.“ [1] Gleichzeitig werden Lehrkräfte mit schwierigen Themen konfrontiert (z.B. Ganztagsschule, Integration, Inklusion), deren Probleme nebenher im Unterricht gelöst werden sollen. [2] In diesem Zusammenhang wirft F.A.Z. Herausgeber Jürgen Kaube der Politik vor, als Reaktionen auf auftretende Probleme und Fragestellungen eng getaktete Reformen mit hohen Erwartungen über den Schulen abzuwerfen, denen diese dann nicht gerecht werden können. [3]

Genau diese konkreten Problemstellungen des Alltags sind es aber, die den Beruf der Lehrkräfte so herausfordernd gestalten. Hier benötigen die Lehrkräfte tatkräftige Unterstützung und die Vermittlung von Handlungsroutinen. Grundsätzlich wird der Fortbildungsbedarf der Lehrkräfte auch in allen Bundesländern anerkannt und Fortbildung zur Pflicht erklärt. Mit der tatsächlichen Umsetzung des eigenen Anspruchs hapert es allerdings. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie, die im Frühjahr 2019 erschienen ist. [4] Neben prinzipiellen Schwierigkeiten, wie der zu geringen Nachhaltigkeit von Fortbildungen für Lehrkräfte, stellen die Autoren auch eine grundsätzliche Unterfinanzierung der Lehrkräftefortbildung fest. Außerdem seien die Aufwendungen für Fortbildungen sogar noch gesunken, obwohl die Ausgaben für Schulen insgesamt gestiegen seien.

Insgesamt erhält damit das Instrument für die Fortbildung für Lehrkräfte schlechte Noten. Sie geht entweder an den Bedarfen vorbei, beschäftigt sich mit Randthemen, erwartet gleichzeitig von den Lehrkräften gesellschaftliche Reparaturaufgaben und das bei chronischer Unterfinanzierung. Ein Blick in den § 63 HLbG verdeutlicht das Dilemma:

Hessisches Lehrerbildungsgesetz (HLbG) – Auszug

ACHTER TEIL Fortbildung und Personalentwicklung

(1) Durch berufsbegleitende Fortbildung und Maßnahmen der Personalentwicklung

  1. erhalten und erweitern Lehrkräfte ihre berufliche Qualifikation für a) den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. b) den Unterricht, c) die besonderen Anforderungen der Bildungsgänge, Schulformen und Schulstufen, d) den inklusiven Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen.
  2. qualifizieren sich die Lehrkräfte für a) besondere Aufgaben und Zuständigkeiten in der Schule, b) Ausbildungs- Beratungs- und Fortbildungstätigkeiten auf Zeit oder Dauer, c) schulische Leitungsaufgaben, d) Funktionen in der Bildungsverwaltung oder der Lehrerausbildung in der zweiten Phase.

(2) Die Fortbildung und Personalentwicklung in den ersten beiden Berufsjahren dienen insbesondere der Einführung in die Kollegial- und Arbeitsstrukturen der Schulen und vertiefen und erweitern die erworbenen Qualifikationen zur Mitwirkung an den innerschulischen Gestaltungsaufgaben. Darüber hinaus sollen individuelle Qualifikationsschwerpunkte im Hinblick auf die weitere Berufslaufbahn gezielt gefördert werden. Zuständig für die Fortbildung und Personalentwicklung in den ersten beiden Berufsjahren ist die Schulleitung, sie wird von den in § 64 genannten Einrichtungen unterstützt.

Die beschriebenen Fortbildungsgebiete sind dabei nicht etwa ein unverbindlicher Vorschlag, sondern die Fassung der verbindlich zu absolvierenden Fortbildungen. Diese sollen dann –außer in Ausnahmefällen – außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden. Als Fortbildungsbudget stehen den Schulen pro Stelle (nicht etwa pro Lehrkraft) zwischen 40 und 50 Euro im Jahr zur Verfügung, was de facto bedeutet, dass Lehrkräfte Ihre vom Land verordneten Fortbildungen zumindest zu einem Teil selbst finanzieren müssen. Zugegeben, dies ist in allen freien Berufen ebenso, aber Lehrkräfte sind eben keine Selbständige. Daher täte der Staat gut daran, sich an den Modellen der Industrie zu orientieren.

Unsere Mitglieder haben immer wieder gefordert, dass wir als Verband qualitativ hochwertige Fortbildungen anbieten sollten. Dies ist uns aus personellen Gründen nur eingeschränkt möglich. Wir haben jedoch einige sehr interessante Veranstaltungen aus den eigenen Reihen organisieren können.

Fortbildungsangebote des hphv 2020

Weiterhin haben wir nach einem Weg gesucht, einen Partner für die Fortbildung unserer Mitglieder zu gewinnen, der einerseits für sehr hohe Qualität steht, andererseits aber auch Fortbildungen außerhalb von Schulräumen in einem ansprechenden Ambiente anbietet. Wir sind sehr dankbar, dass sich die Heraeus Bildungsstiftung zu einer Kooperation bereit erklärt hat. Wir streben an, in den verschiedenen Regionen Hessens in jedem Jahr in einem Rotationsverfahren grundlegende Fortbildungen für unsere Mitglieder anzubieten. Diese Fortbildungen buchen wir exklusiv für unsere Mitglieder. Wir übernehmen die Kosten für die Veranstaltung, die Verpflegung und die Übernachtung in angenehmen Tagungshotels. Bei einer Teilnehmerzahl von 15 Personen, sind dies mindestens 95 Euro pro TN. Nehmen weniger Personen teil, steigen die Einzelkosten entsprechend, da wir einen Pauschalpreis vereinbart haben, um die Seminare exklusiv anbieten zu können. Dies ist nur möglich, da die tatsächlichen, den Beitrag übersteigenden Kosten von der Heraeus Bildungsstiftung getragen werden. Diese kümmert sich auch um den organisatorischen Ablauf.
Wir sind sicher, dass wir Ihnen damit ein attraktives, an den Bedürfnissen der Lehrkräfte orientiertes und kostenfreies Angebot machen können. Sie müssen es nur wahrnehmen. Folgende Themen haben wir zunächst für 2020 vorgesehen:

Selbstmanagement – Balance im Lehrberuf

Souverän und konstruktiv in schwierigen Gesprächen

Christof Ganß

[1] Marie Kremer, Lebenslanges Lernen für Lehrkräfte, in: Zeitschrift Weiterbildung, Luchterhand 5|2017, S. 23-25

[2] M. Kremer, ebd.

[3] F.A.Z., 25.10.2019, Zu hohe Erwartungen bei Politikern und Eltern, S.35

[4] Daschner/Hanisch (Hrsg), Lehrkräfte Fortbildung in Deutschland, Beltz Juventa, 2019

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