Offener Brief an Staatsminister Schwarz: Das Referendariat darf nicht gekürzt werden!

vom | Kategorie: Aktuelles, DPhV Mitteilungen, hphv Mitteilungen

Sehr geehrter Herr Staatsminister,
sehr geehrter Herr Schwarz,

die aktuellen Gespräche zur möglichen Verkürzung des Referendariats in Hessen bereiten dem Deutschen Philologenverband (DPhV) größte Sorgen. Derzeit prüfen Sie, ob eine Verkürzung auf 18 Monate sinnvoll wäre? Die Antwort darauf ist aus Sicht des DPhV eindeutig und ganz einfach: Es ist der falsche Weg! Wir brauchen mehr Referendariat, statt weniger! Wir fordern Sie daher auf, nicht nur in Hessen von einer Kürzung abzusehen, sondern ganz im Gegenteil, auch im länderübergreifenden Diskurs für den Erhalt eines langen Referendariats und somit einer anspruchsvollen Lehrkräfteausbildung einzustehen. Der bundesweite Flickenteppich Referendariat – von aktuell 24, 21, 18, 16 und 12 Monaten Dauer – muss endlich auf ein gemeinsames hohes Niveau gehoben werden! Und das nicht nur im Interesse der Referendarinnen und Referendare, sondern vor allem auch im Interesse der Schülerinnen und Schüler, die gut ausgebildete, resiliente Lehrkräfte brauchen.

Die Überlegung, weggekürzte Referendariatsteile durch längere Praxisteile in der universitären Lehrkräftebildung zu kompensieren, ist eine Scheinlösung. Denn das Referendariat ist DIE zentrale Phase der Lehrkräftebildung und findet im Vergleich zur universitären Praxis unter gut betreuten „Ernstfallbedingungen“ statt! Nach dem ersten Staatsexamen entwickeln Referendarinnen und Referendare vorrangig in dieser Zeit ihre professionelle Identität, fachliche Kompetenz und pädagogische Handlungsfähigkeit als zukünftige Lehrkraft – und dies, gerade weil sie lange und kontinuierlich mit dem Studienseminar, den Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften vor Ort in ihrer Ausbildungsphase zusammen sind. So sammeln sie im gut betreuten täglichen Umgang Erfahrungen, ohne durch zu frühe Eigenverantwortung überfordert zu werden. Sie erleben und lernen, wie guter Unterricht gestaltet wird, wie Schülerinnen und Schüler gefordert und gefördert werden können und auch, wie eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Eltern gelingen kann – dies alles kann durch keine universitäre Lehrveranstaltung ersetzt werden.

Die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf 18 Monate würde zwangsläufig zulasten einer guten Ausbildung und einer nachhaltigen Unterrichtsqualität gehen und für die Referendarinnen und Referendare zu mehr Prüfungsdruck in kürzerer Zeit führen. Die aktuellen Zahlen zeigen deutlich: Nicht das Referendariat ist die Hürde in der Lehrkräftebildung, sondern vielmehr strukturelle Defizite bei den Arbeitsbedingungen und eine nicht ausreichende Betreuung während des Lehramtsstudiums, das hohe Abbrecherzahlen zu verzeichnen hat.

Der Deutsche Philologenverband spricht sich deshalb ausdrücklich für die Beibehaltung und Sicherung eines mindestens 21-monatigen Referendariats in Hessen aus – und ist froh, dass Sie bisher mit Bayern diesen Kurs gehalten haben. Verkürzte Ausbildungszeiten sind keine Lösung für den Lehrkräftemangel, sondern verschärfen langfristig die Probleme – für die Schulen, die Lehrkräfte, aber vor allem für die Schülerinnen und Schüler.

Setzen Sie in Hessen weiterhin ein Zeichen für exzellente Bildung! Sparen Sie nicht auf Kosten der jungen Generationen! Ermöglichen Sie den angehenden Lehrkräften Zeit, um die Kernkompetenzen ihres Berufes zu erlernen für einen differenzierten und nachhaltigen Unterricht, die Stärkung der individuellen Lernwege, die qualifizierte Zusammenarbeit im Kollegium und mit Eltern sowie vor allem für die verantwortungsbewusste Begleitung junger Menschen auf ihrem Bildungsweg hin zu mündigen Mitgliedern in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft. Investieren Sie in Qualität statt Geschwindigkeit – damit Schule in Hessen auch weiterhin ein Ort der Bildung auf hohem Niveau bleibt!

Mit freundlichen Grüßen

gez.
Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes

gez.
Volker Weigand, Vorsitzender des Philologenverbandes Hessen

 

 

 

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