Tarif- und Arbeitsrecht zur Einkommensrunde 2023/2024 und mögliche Auswirkungen auf den Beamtenbereich im Rahmen der Besoldungsrunde 2023/2024
Rundschreiben des Geschäftsbereichs Tarif zu „Erstinstanzliches Urteil zum Anspruch auf Inflationsausgleichszahlungen in der Elternzeit – Vorsorgliche Geltendmachung von Ansprüchen”
Der dbb Geschäftsbereich Tarif hat mit Rundschreiben vom 15. Mai 2024 (Nr. 3/2024) über ein noch nicht rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts Essen informiert. Das Gericht hat entschieden, dass der Tarifvertrag Inflationsausgleich, den der dbb mit dem Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände abgeschlossen hat, insoweit gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verstößt, als er Beschäftigte in Elternzeit willkürlich schlechter stellt als andere Beschäftigte, die im fraglichen Zeitraum keinen Anspruch auf finanzielle Leistungen des Arbeitgebers haben (konkret sind das Beschäftigte mit Anspruch auf Kinderkrankengeld und Beschäftigte mit Anspruch auf Krankengeldzuschuss, die diesen wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht ausgezahlt bekommen). Das Gericht führt aus, dass der Tarifvertrag insoweit unwirksam ist und der Anspruch auf Inflationsausgleichszahlung auch dann besteht, wenn aufgrund von Elternzeit im fraglichen Zeitraum kein Anspruch auf Entgelt bestand.
Der dbb Geschäftsbereich Tarif hat mit dem genannten Rundschreiben darauf hingewiesen, dass es für den Fall, dass das Urteil rechtskräftig werden sollte, sinnvoll ist, vorsorglich tarifvertragliche Ansprüche innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist gegenüber dem Areitgeber geltend zu machen.
Dafür hat der dbb mit dem Rundschreiben Musteranträge für den unmittelbar betroffenen Bereich des Bundes und der Kommunen sowie für die Bereiche TdL und Hessen, mit denen vergleichbare tarifvertragliche Regelungen vereinbart wurden, zur Verfügung gestellt.
Neben der vorsorglichen Geltendmachung der Ansprüche auf Inflationsausgleichszahlungen während der Elternzeit besteht aus Sicht des Tarifbereichs derzeit kein weiterer Handlungsbedarf. Die vom Arbeitsgericht Essen erstinstanzlich festgestellte Unwirksamkeit des TV Inflationsausgleich in diesem Punkt ist noch nicht rechtskräftig und der unterzeichnete Tarif vertrag noch vollumfänglich wirksam.
Daher wird der dbb diesbezüglich zum jetzigen Zeitpunkt über die Dienstleistungszentren keinen Einzelfallrechtsschutz durchführen.
Ausgangslage und Sachstand für den Beamtenbereich
Beamtinnen und Beamte in Bund und Ländern erhielten oder erhalten nach Maßgabe der von den jeweiligen Besoldungsgesetzgebern erlassenen Gesetze ebenfalls Leistungen von ,,Inflationsausgleichsprämien” im Hinblick auf die wirkungsgleiche Übertragung der Tarif verträge. Beamtinnen und Beamte in Elternzeit sind – wie im Tarif und unter gleichen Voraussetzungen – von der Gewährung der Prämie ebenfalls ausgeschlossen, wenn sie in genau bezeichneten Zeiträumen keinen Anspruch auf Dienstbezüge hatten.
Einordnung und Würdigung in Bezug auf das Beamtenrecht
Bereits wegen der unterschiedlichen Verfassungsgrundlagen – Artikel 9 Grundgesetz für den Tarifbereich und Artikel 33 Grundgesetz für den Beamtenbereich – haben (noch nicht einmal rechtskräftige) arbeitsgerichtliche Entscheidungen keine direkten und unmittelbaren Auswirkungen auf den Beamtenbereich. Für diesen gelten auch grundlegend andere Verfahrensrechte. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz des Artikel 33 GG – und der darauf basierenden ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – müssen Ansprüche, die sich nicht selbst aus Gesetz oder Verordnung ergeben, jeweils jährlich haushaltnah beim Dienstherr geltend gemacht werden.
Dieser Grundsatz gilt bei und für alle Beamtinnen und Beamten in den 17 verschiedenen Rechtskreisen unabhängig von den jeweils ggf. unterschiedlichen Sach- und Rechtslagen.
Vor diesem Hintergrund bestehen für den Beamtenbereich wegen des oben dargestellten Urteils des Arbeitsgerichts heute keine unmittelbaren Handlungsnotwendigkeiten, sofern – wie vom dbb beamtenbund und tarifunion eingefordert – eine „zeit-, inhalts- bzw. wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses von TVöD bzw. TV-L mit Blick auf die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie” stattgefunden hat oder gerade noch stattfindet. Auch sind im Hinblick auf die weitere Entwicklung im Tarif- und Arbeitsrecht aktuell keine Rechtsverluste möglich. Eine eventuelle Anspruchssicherung für im laufenden Jahr 2024 eintretende Ereignisse kann bis zum 31. Dezember 2024 wirksam und rechtssichernd geltend gemacht werden.
Nach erster überschlägiger Prüfung und aufgrund der heute ersichtlichen Sach- und Rechts lage könnten sich für den Beamtenbereich u. a. nachfolgend aufgezeigte Auswirkungen wegen gleichartiger Regelungen im Bereich der Inflationsausgleichszahlung in Höhe von 3.000 Euro ergeben:
- Sofern der Passus im Tarifbereich höchstrichterlich für unwirksam bzw. diskriminierend erklärt wird, würden die Regelungen auch im Beamtenbereich diskriminierend sein, da im Beamtenbereich die Voraussetzung für eine (gerechtfertigte) zeit- und wirkungsgleiche Übertragung entfällt.
- Sofern im Tarifbereich der Passus wegen der dort herrschenden Vertragsfreiheit für ,,gerechtfertigt” erklärt wird, könnte gleichwohl im Beamtenbereich wegen des be stehenden Gesetzesvorbehalts die Möglichkeit bestehen, dass die gesetzlichen Rege lungen im Bundes- und Länderbereich eine mittelbare Diskriminierung von Frauen darstellen.
Die dbb Bundesleitung wird sich mit diesem Anliegen zeitnah im Juli 2024 befassen und unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklungen über das weitere Vorgehen entscheiden sowie dann über die Sach- und Rechtslage berichten. Insofern wird der dbb diesbezüglich auch im Beamtenbereich zum jetzigen Zeitpunkt keinen Einzelfallrechtsschutz über die Dienstleistungszentren durchführen.
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