Jugend im Zeichen der Angst

vom | Kategorie: Aktuelles, Berichte

Schließung der Spielplätze, wochenlanges Homeschooling, verbunden mit dem Wegfall von musischen und sportlichen Freizeitaktivitäten, Angst zu erkranken oder Familienangehörige mit einem für diese tödlichen Virus anzustecken sowie ein drohender Atomkrieg – vor drei Jahren hätte man diese dunkle Episode der Menschheitsgeschichte für den Plot eines dystopischen Romans gehalten. Tatsächlich leiden gerade Kinder und junge Erwachsene erheblich unter den Bedrohungen der vergangenen beiden Jahre. Angst ist zu einem permanenten Begleiter im Leben der Kinder geworden. Sowohl in der Schule, wo gebannt der Balken des Antigen-Schnelltests verfolgt wird und das Kind hofft, nicht mit dem Lehrer den Gang ins Sekretariat antreten zu müssen, falls dieser positiv ausfällt, als auch zuhause, wo die Eltern unter Umständen den Verlust des Jobs fürchten und die rasant steigende Inflation kaum noch bewältigen können. Dies alles ist für sich schon schlimm genug!

Der sich zuspitzende Ukraine-Konflikt und die damit verbundene Angst vor einem „Dritten Weltkrieg“ treffen auf eine Schülerschaft, bei der bereits zuvor eine deutliche Zunahme an psychischen Erkrankungen festzustellen war. Depressionen, die bis zu suizidalen Gedanken reichen, gehören zu den verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie und münden darin, dass eine nicht unbeträchtliche Zahl an Minderjährigen auf Grund einer Angsterkrankung stationär behandelt werden muss. In einer Zeit, in der man auf Grund der Omikron-Variante auf ein Ende der Pandemie hoffte, fielen die entsetzlichen Verbrechen am Völkerrecht. Für Jugendliche stellt sich die Frage, ob sie noch das Privileg besitzen werden, in einer freiheitlichen Gesellschaft leben zu dürfen und ihre Wünsche verwirklichen zu können. Das Damokles-Schwert einer atomaren Apokalypse schwebt wahrscheinlich so stark wie noch nie über den Köpfen der Menschheit. Wie gehen die seit zwei Jahren von existenziellen Ängsten gebeutelten Kinder und Jugendlichen mit diesem Zustand um?

Was muss erst in Kindern vorgehen, die zu alledem noch Verwandte oder Bekannte in der Ukraine haben? Die jeden Tag mit den grässlichen Auswirkungen dieses Krieges im Fernsehen oder in den sozialen Medien konfrontiert werden? Was geht in Kindern vor, die aus ihrem Heimatland geflüchtet sind? Zu deren ersten Lebenserfahrungen Todesängste und der Verlust der eigenen Lebenswelt gehören? Die sich in einem Land wiederfinden, in dem eine andere Sprache gesprochen wird und wo sie sich kaum oder gar nicht mit Gleichaltrigen austauschen können, während ihr Vater ggf. an der Grenze aufgehalten wurde? Denen neben einem kleinen Rucksack nichts aus „ihrer Welt“ übriggeblieben ist. Dabei sind die Eltern bzw. das verbliebene Elternteil durch die gleiche Hölle gegangen und wahrscheinlich extrem traumatisiert.

Den Opfern dieses Krieges zu helfen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der die Schulen eine besonders wichtige Rolle einnehmen. Umso schmerzhafter machen sich nun die Versäumnisse der Vergangenheit bemerkbar. Raum- und Personalmangel sind bereits seit Jahren ein großes schulisches Problem. Sozialarbeiter- und Schulpsychologenstellen können teilweise auf Grund des Fachkräftemangels nicht besetzt werden. Dies macht kreative Lösungsansätze unumgänglich, etwa, indem man auf Studierende als zusätzliches pädagogisches Personal und z.B. auf Klassen-Container sowie andere Räumlichkeiten zurückgreift. Zu begrüßen ist, dass bereits nach ukrainisch-sprachigen Lehrkräften und Hilfskräften gesucht wird. Notwendig ist aber weitaus mehr. So sollten Lehrkräfte von bürokratischen Zusatzaufgaben befreit werden, um eine intensivere Unterstützung der Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Weiterhin sollten sich Netzwerke aus unterschiedlichen Bereichen bilden, die Geflüchteten neben den existenziellen Bedürfnissen wie Wohnraum und Verpflegung auch eine kulturelle Teilhabe ermöglichen. Außer den allgemeinbildenden Schulen sollten auch Sportvereine, Musikschulen, Kulturschaffende und andere Institutionen für etwas Licht in diesen Tagen großer Dunkelheit sorgen.

Von Boris Krüger und Sebastian Krämer

 

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