Stellungnahme des Hessischen Philologenverbandes zur Förderung der digitalen kommunalen Bildungsinfrastruktur / zur Änderung des Gesetzes zur Neugliederung der staatlichen Schulaufsicht / zur Digitalen Schule und Umsetzung des Digital Pakts Schule in Hessen

vom | Kategorie: Allgemein

Gesetzentwurf zur Förderung der digitalen kommunalen Bildungsinfrastruktur und zur Änderung des Gesetzes zur Neugliederung der staatlichen Schulaufsicht – Drucksache 20/786
Prinzipiell ist zu begrüßen, dass mit dem Digital Pakt Schule ein wichtiger Schritt in Sachen Finanzierung digitaler Schulausstattung geschieht. Gleichwohl sehen wir die Notwendigkeit, darüber hinaus und dauerhaft die Finanzierung gerade dieses Bereichs in einem Umfang sicherzustellen, der deutlich über die bisher erbrachten Investitionen hinausgeht.

Zu §1: Förderziel, Fördervolumen, Finanzierung und Verteilung der Mittel

Wenngleich die Finanzhilfen für hessische Schulen in Höhe von ca. 500 Mio.€ einen deutlichen Schub bedeuten, so ist festzustellen, dass es sich heruntergebrochen pro Schüler(in) um eine Förderung von 108€ pro Schuljahr handelt. Dies kann nur ein Anfang sein, und muss durch eine Verstetigung der Investitionen in Digitalisierung fortgeführt und ausgebaut werden. Die optionalen Darlehen in Höhe von ca. 110 Mio.€ ermöglichen zwar Investitionen, jedoch handelt es lediglich um Darlehen, die zurückzuzahlen sind. Hier wäre eine direkte Förderung durch Landesmittel wesentlich zielführender, da sie die Schulträger nicht durch die Rückzahlung der Darlehen belasten würden. So sind die Darlehenszinsen zur Hälfte durch den Darlehensnehmer zu bezahlen. Inwieweit diese Mittel daher überhaupt in Anspruch genommen werden ist ungewiss.

Zu §4: Fördervoraussetzungen

Als förderfähig werden unter (1) 3. Portale und Plattformen genannt.  Bereits im vergangenen Jahr hat die Landesregierung mitgeteilt, dass sie eine eigene Schulplattform für hessische Schulen bis Sommer 2021 starten wird, die allen Schulen zur Verfügung steht. Es erschließt sich nicht, warum die Investitionen in andere Angebote förderfähig sein sollen. Ein Nebeneinander eines Landesangebotes (Schulportal Hessen) und privaten Produkten ist kontraproduktiv, da durch die Nutzung alternativer Angebote Ressourcen verschwendet werden. Private Angebote sind datenschutzrechtlich nicht grundsätzlich unproblematisch, sind administrativ vor Ort aufwändiger zu betreuen, und erschweren die Portabilität von erstellten Materialien und Produkten zwischen Schulen, und von Schüler(innen) und Lehrkräfte z.B. bei einem Schulwechsel. Dies kann nicht das Ziel einer fortschrittlich gedachten schulischen Infrastrukturpolitik sein. Eine Konzentration dahingehend, dass alle Schulen ausnahmslos das neue Schulportal nutzen sollen, wäre zielführend.

Unklar bleibt unter (1) 6. die Ausrichtung dahingehend, wie sowohl Lehrkräfte wie auch Schüler(innen) als Einzelpersonen mit digitalen Endgeräten (Smartphone, Tablet, Laptop) ausgestattet werden. Der explizite Hinweis auf die förderfähige Anschaffung schulgebundener mobiler Endgeräte lässt darauf schließen, dass die Koalition entweder noch keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob auch personengebundene mobile Endgeräte für die Dauer des jeweiligen Schulbesuchs angeschafft werden können oder möglicherweise die Haltung dahingehend ist, dass „Bring your own device.“ als Lösung propagiert wird. Dies wiederum würde bedeuten, dass eine Vielzahl verschiedener Geräte in den Unterricht eingebracht wird, abhängig von den finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Elternhauses.

Eine Einbringung privat finanzierter Geräte z. B. in das schulische WLAN, um die man dauerhaft nicht herumkommen wird, da die schulgebundenen Endgeräte bei weitem nicht ausreichen werden, wie an dem eingangs erwähnten Investitionsvolumen von 93€ pro Schuljahr und Schüler(in) abzulesen ist, erschwert jedoch den Unterrichtseinsatz.

Mittelfristig sollten an der Schule so viele Geräte vorhanden sein, dass möglichst alle Schüler(innen) und Lehrkräfte auf das Mitbringen eigener Geräte verzichten können.

Der am Ende von (1) erfolgte Hinweis, die digitalen Infrastrukturen müssten grundsätzlich technologieoffen usw. sein, erfordert Richtlinien konkreter Natur. Wie soll ein Schulträger oder gar eine Schulgemeinde erkennen, ob die Lernplattform eines privaten Anbieters „anschlussfähig“ ist? Ein Katalog möglicher Produkte, sowie Richtlinien, welche Systeme zulässig sind, ist erforderlich. Allerdings könnte der Aufwand hierfür äußerst bürokratisch sein, da kontinuierlich eine Aktualisierung der Vorgaben erfolgen sollte/müsste.

Zu präzisieren wäre, wer die unter (2) genannten Lehr-Lern-Infrastrukturen beurteilt. Welches Gremium legt fest, welche Angebote pädagogische oder funktionale Vorteile bieten?

Dringlicher Antrag Fraktion der CDU, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Programm „Digitale Schulen“ Hessen“ – den digitalen Wandel an Hessens Schulen aktiv gestalten

Unter (2) wird auf die pädagogischen Konzepte in den Schulen Bezug genommen. Neben der Tatsache, dass die Ausarbeitung einzelner Konzepte zeitaufwändig ist, wäre hier zu hinterfragen, inwieweit diese hier eine Rolle spielen. Die Verlegung von Glasfaserkabeln, die Installation von WLAN, die Anschaffung von mobilen digitalen Endgeräten, die Zurverfügungstellung von Smartboards usw. ist für jede Schule zukünftig existentiell, um digital unterstützend arbeiten zu können. Warum sollen hier spezielle Konzepte eine Rolle spielen? Auf diese Weise laufen Schulen Gefahr, schlechter als andere gestellt zu werden, wenn das eigene Konzept als nicht so förderfähig wie die anderer Schulen eingeordnet wird. Des Weiteren ist unklar, wer diese Konzepte dahingehend prüfen soll. Dies würde zu einem erheblichen Mehraufwand führen, sowohl personell wie auch finanziell, allein die Prüfung betreffend. Zielführend wäre es, eine erforderliche Ausstattung für die Schulen zu definieren, ohne konzeptionellen Aufwand.

Zu präzisieren wäre, ob das startende Schulportal, das wir sehr begrüßen, hier nun doch als für alle Schulen verpflichtend angesehen wird. Wie ist die Formulierung „soll“ zu verstehen?

Eine deutliche Ausweitung von Fortbildungsangeboten, wie unter (3) angeführt, ist dringend notwendig.  Bislang sind solche Angebote zum Großteil kostenpflichtig, nur in geringem Umfang verfügbar, und zudem auch dadurch geprägt, dass private Anbieter mit möglicherweise vorhandenem Eigeninteresse hinsichtlich des Verkaufs der thematisierten Produkte (Software, Hardware, webbasierte Produkte wie Abonnements) am Fortbildungsmarkt aktiv sind. Wünschenswert ist, hier weitestgehend anbieterunabhängig Fortbildungsangebote zu installieren. Die Kostenfrage darf keine für die Lehrkräfte limitierende sein, wenn der digitale Wandel ernst gemeint ist. Das Tempo des digitalen Wandels wird eine ganz andere Dimension bedeuten, wie mit Wissen umgegangen wird. Dementsprechend wird sich der Kenntnisstand der Lehrkräfte deutlich heterogener als in anderen Bereichen mit Fortbildungsbedarf darstellen. Diesem wäre zukünftig Rechnung zu tragen.

Dass zum Themenkomplex „digitaler Wandel an Schulen“ ein Austausch zwischen Lehrkräften sinnvoll ist, ist nicht zu bestreiten. Gleichwohl soll darauf hingewiesen werden, dass institutionalisierte Formen des Austauschs, wie unter (2) und (3) angesprochen, personelle Ressourcen bindet. Fachtagungen oder ein tagender Praxisbeirat ziehen Lehrkräfte aus dem Unterricht ab, ohne dass der Mehrwert zumindest zum heutigen Zeitpunkt erkennbar ist. Hier sollte ein möglicher Unterrichtsausfall durch freizustellende Lehrkräfte im Fokus sein.

Die unter (4) genannten Gefahren, die mit dem digitalen Wandel nicht nur an Schulen einhergehen, sind heute bereits sichtbar, und dürften sich noch verschärfen.  Wir unterstützen das Anliegen, hier zu sensibilisieren und Gefahren abzuwenden. Dabei sollte allerdings der Eindruck vermieden werden, dass Schule hier allumfassend dieses Themenfeld abdecken kann. Dafür fehlt es an Unterrichtszeit, die auch weiterhin inhaltlich-pädagogisch geprägt, und nicht primär methodisch bestimmt sein soll. Der Fächerkanon soll erhalten bleiben, die Vorbereitung auf die entsprechenden Abschlüsse ist das was Schule ausmacht. Eine deutliche Ausweitung von Suchtprävention o. ä. als Unterrichtsthemen könnte hierzu in Konkurrenz stehen, Wissensvermittlung und Kompetenzerweiterung zurückgedrängt werden. Dies gilt es zu vermeiden.

Die individuelle Förderung von Schüler(innen), wie unter (6) angeführt, kann nur gelingen, wenn hierzu die notwendige Zeit zur Verfügung steht. Hier ist darauf hinzuweisen, dass Klassen- und Kursgrößen erheblichen Einfluss auf Unterricht haben, wenn dieser binnendifferenziert und auf die individuelle Förderung von Schüler(innen) ausgelegt sein soll. Klassen- und Kursgrößen wären hierzu tendenziell weiter zu verringern.

19.08.2019
Edith Krippner-Grimme, stellvertretende Vorsitzende
Andreas Lotz, stellvertretender Vorsitzender des HPHV

Verfasser: Volker Weigand

 

 

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