150 Jahre Hessischer Philologenverband – das heißt: Stete Arbeit an der gymnasialen Bildung!
Unbestritten ist die Bedeutung des Verbandes für die gymnasiale Bildung!
Orientiert an Wilhelm von Humboldts dynamischem, aber auch empathischem Bildungsverständnis, zugegeben einem hohen Ideal, war und will der Hessische Philologenverband (hphv) weiterhin Garant sein für einen wissenschaftspropädeutischen Unterricht, der Leistung wertschätzt, intellektuelle Fähigkeiten auf Seiten der Lernenden entwickeln, deren Fähigkeiten zu selbständigem Arbeiten und zur Reflexion ausbauen hilft. Wir sind an Fachlichkeit, an kulturellen Wissensbeständen, an wissenschaftlichen Fakten und Kompetenzen ausgerichtet.
Ohne Frage stehen wir ein für die Mehrgliedrigkeit unseres Schulsystems mit einer starken gymnasialen Säule. Es gibt aus unserer Sicht keine wirklich gute Alternative zur Mehrgliedrigkeit, wenn diese begabungsgerecht und mit entsprechender Durchlässigkeit gestaltet wird. Deshalb sehen wir keinen Anlass – gerade auch vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Studien und den üblichen Praxiserfahrungen – die Verheißungen des „längeren gemeinsamen Lernens“ zu goutieren. Auf unseren Widerstand trifft auch die Abschaffung von Noten bzw. die Abschaffung der Nicht-Versetzung bei schlechten Leistungen. Unser Interesse gilt einem leistungsfähigen Bildungssystem, das dem Einzelnen die Möglichkeit zur Entfaltung seiner Begabungen gibt sowie eine starke und solidarische Gesellschaft konstituieren hilft.
Unsere Mitglieder – und nicht nur diese, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Schulformen – sehen sich mit manifesten Problemen konfrontiert.
Wir arbeiten schon zu lange mit zu großen, mehr und mehr inhomogenen Lerngruppen – da stellt sich – mit Blick auf unsere Schulform – die Frage: wie viel Leistungsspreizung verträgt das Gymnasium, ohne an Qualität zu verlieren? Die Realität macht hier einige Illusionen zunichte.
Neben dem steigenden Förderbedarf stellen Inklusion, Diversität und ungebremste Migration besondere Herausforderungen dar.
Lehrkräfte erleben heutzutage pädagogische Situationen, die viel Zeit und psychische Energie kosten, denn Verhaltensauffälligkeiten in der Schülerschaft auch aufgrund mangelnder familiärer Erziehung haben deutlich zugenommen. Mediale Vorbilder, und nicht nur gute, insbesondere in den sozialen Medien, sind heute wesentlich ausgeprägter als früher und keineswegs unproblematisch.
Eine hohe Arbeitsverdichtung – gerade auch abseits des Klassenraums – wirkt enorm belastend, erhöht empfindlich den Stresslevel der Lehrkräfte im Alltag und hat schädliche Auswirkungen auf unsere Kernaufgabe, das Unterrichten.
Wir verfolgen die weiteren Diskussionen zum Thema Arbeitszeit von Lehrkräften mit angespanntem Interesse!
Kurzum: Das Klima in den Schulen hat sich verändert. Es mangelt zu oft an Respekt vor dem Lerngegenstand, vor den Mitschülern, vor den Lehrpersonen. Die Autorität der Lehrkräfte hat spürbar gelitten. Muss man sich da wundern, dass der Lehrerberuf an Attraktivität verloren hat?
Personelle Engpässe sind unübersehbar – wir erleben einen gravierenden Lehrkräftemangel in allen Schulformen. Quer- und Seiteneinsteiger können auf Dauer die Misere nicht beheben.
Das Berufsbild Lehrerin/Lehrer braucht einen nachhaltigen Motivationsschub, hier ist die Politik gefordert mit größerem Engagement für eine hohe Bildungskultur, mit mehr Einsatz für bessere Arbeitszeiten und eine dem Arbeitsaufwand angemessene, gerechte Besoldung.
Man kann es nicht oft genug betonen: Bildung ist Recht und Pflicht zugleich. Ohne ein Pflichtgefühl für den eigenen Einsatz im Lernprozess auf Seiten der Lernenden bleibt das Recht auf Bildung auf der Strecke. Leider wird der Begriff „Bildungsgerechtigkeit“ inflationär verwendet, gerade von Personen, die von Sachkenntnis wenig belastet sind.
Wir Lehrkräfte zahlen mit unserem Ansehen für politische Entscheidungen, Zustände, irritierende Diskussionen, die nicht wir zu verantworten haben, die sich aus ideologischen Verdikten sowie abenteuerlichen didaktischen Vorgaben entwickelt haben (s. Verzicht auf Noten, keine Nicht-Versetzung, Methode „Lesen durch Schreiben“, auch „Schreiben nach Gehör“ genannt).
Lassen wir uns unser Berufs- und Arbeitsethos nicht von der Politik, nicht von Wissenschaft und Medien zerreden.
Wir sollten den Kompass liefern für die gymnasiale Bildung! Hier ist der Philologenverband gefragt wie nie! Dazu braucht es Kraft und Zuversicht und verbandliche Solidarität.
An den großen Philosophen Ernst Bloch und sein „Prinzip Hoffnung“ anknüpfend, wage ich eine Ermutigung: man sollte „ins Gelingen verliebt (sein) statt ins Scheitern.“
Reinhard Schwab,
Landesvorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
← zurück