CDU will Flaggen zeigen. Schulgebäude dauerhaft beflaggen mit der Bundesflagge, Landesflagge, Flagge der Europäischen Union?
Der Gedanke an eine dauerhafte Beflaggung von Schulen ist ungewohnt und wohl auch ein zweischneidiges Schwert.
Im Zuge einer weltweiten Renationalisierungstendenz sowie der Stärkung politischer Identitäten – auch der europäischen – passt ein solcher Vorschlag ins Bild. Die Jugend noch stärker an die Europäische Union heranzuführen, scheint nicht verkehrt. Und wenn eine Flagge dabei helfen kann … Viele EU-Mitgliedstaaten haben auch keine Probleme mit ihren nationalen Symbolen – ob Hymne oder Flagge; das gilt nicht unbedingt für die Deutschen.
Mehr oder weniger systematisch wurde seit Gründung der Bundesrepublik daran gearbeitet, die nationale Identität kleinzuhalten – vor dem Hintergrund unserer Geschichte und dem Misstrauen unserer Nachbarn ein nachvollziehbares Unterfangen. Vorsichtige Bestrebungen, der nationalen Symbolik mehr Gewicht zu verleihen, wurden rasch von links bekämpft, Schwarz-Rot-Gold passte nicht in das multikulturelle Denken.
Wenn jetzt, wo sich rechts der politischen Mitte Kräfte etabliert haben, die erfolgreich vom aufkeimenden Nationalismus auch in Deutschland profitieren, die Beflaggung öffentlicher Gebäude ausgeweitet werden soll, wirkt dies zuerst einmal wie ein durchsichtiges Manöver und für viele deutsche Schüler und Lehrkräfte befremdlich. Nationale Symbole sind, außerhalb von Fußballstadien, nicht unbedingt angesagt. Anders oft bei Schülern mit Migrationshintergrund. Hier spielen kulturelle und politische Werte, auch Symbole der elterlichen Heimat eine große Rolle, zeugen von einem emotionalen Bedürfnis nach Identifikation.
Der Gedanke an eine dauerhafte Beflaggung der Schulen sollte deshalb nicht einfach verworfen werden, auch wenn sich für Schulen aufgrund ihrer durchaus schwierigen Situationen die ‚Flaggen-Frage‘ wohl zuallerletzt stellt.
Flaggen draußen können nicht richten, was drinnen nicht gut klappt, z. B. defizitäre Bausubstanz, zu wenig Fachkräfte, zu große Lerngruppen.
Wenn also äußere Zeichen gesetzt werden sollen, muss zuvor im Inneren ein angemessenes Umfeld geschaffen und in den Klassenräumen kognitiv vorgearbeitet worden sein, und zwar durch Demokratiebildung und Wertevermittlung.
Wenn die ‚Flaggen-Initiative‘ der CDU ein Aufruf sein soll, die politische Bildung und Werteorientierung, den staatsbürgerlichen Zusammenhalt zu stärken, die Sozialdisziplin auszubilden, verdient sie Aufmerksamkeit. Das ruft alle Fächer auf den Plan, von Politik und Wirtschaft über Religion/Ethik und Geschichte bis zum Deutschunterricht. Wir müssen uns in den Schulen wieder stärker der Verantwortung für die politische Bildung stellen und die darf auch eine emotionale Komponente haben, z.B. die wichtige Bedeutung Deutschlands im multilateralen System der Weltpolitik herausstellen, die durchaus zur Identifikation mit diesem Land und seinen demokratischen Traditionen einladen kann. Wenn dann später einmal an den Schultoren Fahnen wehen, wissen die Schüler auch etwas damit anzufangen und müssen nicht nur auf die deutschen Sportstars stolz sein.
Beide Seiten wollen bespielt werden, Bildung auf der einen, Symbolik auf der anderen Seite, wobei nicht der zweite vor dem ersten Schritt getan werden darf. Für eine reine ‚Schaufensterpolitik‘ sollten uns unsere nationalen Symbole zu schade sein.
Reinhard Schwab, Vorsitzender des Hessischen Philologenverbandes
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